Automatisierung in der Verwaltung: Effizienz oder Transparenzfalle?

Die Automatisierung von Verwaltungsentscheidungen durch Software sorgt in der Schweiz für kontroverse Diskussionen. Während die einen in der Technologie einen Effizienzsprung und geringere Fehlerraten sehen, warnen andere vor Intransparenz und algorithmischer Willkür. Ein neues Buch von Forschern der Universitäten St.Gallen und Lausanne beleuchtet nun die Chancen und Herausforderungen dieser Entwicklung.
In Städten wie Bern, Basel und Zürich nutzen Mitarbeiter der Verwaltung bereits die Software «Citysoftnet» zur digitalen Fallbearbeitung in der Sozialhilfe und im Kindesschutz. Doch technische Mängel und Verzögerungen bei der Auszahlung von Sozialleistungen sorgten kürzlich für Schlagzeilen. Für Bürger bleibt oft unklar, warum Anträge abgelehnt oder nur schleppend bearbeitet werden – ein Transparenzproblem, das das Vertrauen in die digitalisierte Verwaltung auf die Probe stellt.
Vom Experiment zur Realität
Die sogenannte «Computational Law», also die Umsetzung von Rechtsnormen in Software, ist längst keine Zukunftsvision mehr. Von Indien über Dänemark bis in die USA kommen Systeme zum Einsatz, die prüfen, ob jemand Anspruch auf Sozialhilfe hat. Doch das Fehlen von Nachvollziehbarkeit birgt ein erhebliches Akzeptanzrisiko. Bürger, die Entscheidungen nicht verstehen können, fühlen sich oft der Willkür ausgeliefert.
Elon Musk: KI statt Verwaltung?
Tesla-Chef Elon Musk geht noch weiter: In den USA will er Verwaltungsangestellte durch Künstliche Intelligenz (KI) ersetzen. Seine Begründung: KI sei günstiger, schneller und weniger fehleranfällig als menschliche Bürokraten. Doch Kritiker warnen: Algorithmen treffen Entscheidungen auf Basis von Daten – individuelle Schicksale bleiben dabei auf der Strecke.
Herausforderungen auf mehreren Ebenen
Forscher der Universität St.Gallen (HSG) und der Universität Lausanne (UNIL) haben die Thematik umfassend untersucht. Ihr Fokus liegt auf den technischen, rechtlichen, politischen und bildungspolitischen Herausforderungen, die mit dem Einsatz von KI in der Verwaltung einhergehen.
- Technik: Gesetze sind oft mehrdeutig, Software jedoch nicht. Anpassungen an neue gesetzliche Anforderungen sind komplex und zeitaufwändig.
- Recht: Transparenz ist entscheidend, um systematische Verzerrungen zu verhindern. Doch häufig fehlen Einblicke in die Entscheidungsprozesse der Algorithmen.
- Politik: Soll der Staat mehr in Anwendungen investieren, die den Zugang zum Recht erleichtern? Oder steht die Effizienzsteigerung im Vordergrund?
- Bildung: Grundkenntnisse über «Computational Law» sollten bereits in Schulen vermittelt werden, um die Bürger demokratisch zu befähigen.
Der richtige Weg?
Der Einsatz von KI in der Verwaltung bietet Chancen, birgt jedoch auch Risiken. Transparenz, ethische Leitlinien und klare Verantwortlichkeiten sind unerlässlich, um Bürgerrechte zu wahren. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob technischer Fortschritt und gesetzliche Rahmenbedingungen im Gleichschritt bleiben – oder ob sich die Vision einer vollständig automatisierten Verwaltung durchsetzt.
Die Autoren des Buches «AI and Law: How Automation is Changing the Law», Dr. Clement Guitton, Prof. Dr. Aurelia Tamò-Larrieux und Prof. Dr. Simon Mayer, geben konkrete Leitfäden zum verantwortungsvollen Einsatz von KI in der Verwaltung. Ihr Werk ist ein Appell für mehr Transparenz und Bildung im Umgang mit digitalen Systemen, die unseren Alltag immer stärker prägen.
Text: pd/red