Smart Farming: Effizient und nachhaltig in die Zukunft
Smart Farming verändert die Landwirtschaft grundlegend – auch in der Ostschweiz. Professor Dejan Šeatović vom Institut für Intelligente Systeme und Smart Farming der OST erklärt, welche Technologien bereits im Einsatz sind, welche Herausforderungen bestehen und welche Potenziale noch ungenutzt bleiben.
Welche Rolle spielt Smart Farming bereits in der Ostschweiz, und welche Technologien werden von Landwirten in der Region am häufigsten genutzt?
Dejan Šeatović: Smart Farming ist ein Begriff, der viele Technologien umfasst, die sich über Jahre hinweg entwickelt haben. In der Ostschweiz gehören dazu vor allem GNSS-gesteuerte Maschinen, die präzise Feldarbeit ermöglichen, und Sensoren, die Informationen zu Boden, Pflanzenwachstum und Umweltbedingungen liefern. Diese Daten helfen den Landwirten, den Ressourceneinsatz zu optimieren und Arbeitsprozesse effizienter zu gestalten. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Integration dieser Daten in mobile Apps, die es ermöglichen, Betriebsabläufe auch aus der Ferne zu überwachen. GNSS-gesteuerte Maschinen und Sensoren zählen zu den häufigsten Technologien, die in der Ostschweiz zum Einsatz kommen.
Wie haben sich die Erträge und die Effizienz der landwirtschaftlichen Betriebe durch den Einsatz digitaler Technologien in der Region verändert?
Die Einführung digitaler Technologien hat die Effizienz der landwirtschaftlichen Betriebe in der Region spürbar gesteigert. Feld- und Indoorarbeiten können durch den präziseren Einsatz von Maschinen und Technologien deutlich schneller und effizienter durchgeführt werden. Ein gutes Beispiel sind Melkroboter, die die Arbeitslast der Landwirte reduzieren und gleichzeitig das Tierwohl verbessern. Auch die Anwendung von Schutzmitteln wie Pestiziden wurde durch die Verwendung präziser Systeme optimiert, was zu einer effizienteren Nutzung und einem geringeren Verbrauch führt.
«GNSS-gesteuerte Maschinen sind das Fundament des Smart Farmings.»
Welche digitalen Tools, wie Drohnen, Sensoren oder spezielle Softwarelösungen, haben sich in der Landwirtschaft am besten bewährt?
Aktuell gibt es keine universellen Systeme oder Maschinen, die für alle landwirtschaftlichen Aufgaben eingesetzt werden können. Doch GNSS-basierte Lokalisierung ist für viele Aussenanwendungen unverzichtbar geworden. Ebenso sind Management- und Informationssysteme auf dem neuesten Stand der Technik. Diese Systeme sind modular aufgebaut, leicht zu erlernen und lassen sich auf verschiedenen mobilen Geräten anwenden. Eine grosse Herausforderung bleibt jedoch die Entwicklung von Soft- und Hardware, die in mehreren Ländern anwendbar ist, da sich die Regelwerke teilweise stark unterscheiden. Dies führt zu steigenden Herstellungs- und Wartungskosten.
Welche Herausforderungen gibt es bei der Implementierung von Smart-Farming-Technologien in der Berglandwirtschaft?
In der Berglandwirtschaft sehen wir spezielle Herausforderungen, die den Einsatz von Technologien erschweren. Aufgrund der steileren Hänge und des rauen Wetters ist der Energiebedarf für Maschinen höher. Zudem sind viele Flächen in der Berglandwirtschaft fragmentiert und schwer zugänglich, was den Einsatz grosser Maschinen oder Technologien kompliziert macht. Ein weiterer Aspekt ist die Tierhaltung in abgelegenen Weidegebieten, wo Tiere oft schwer zu erreichen und noch schwerer zu überwachen sind. In diesen Bereichen gibt es ein grosses Potenzial für technologische Entwicklungen, die diese Herausforderungen adressieren könnten.
Wie tragen Datenanalysen und maschinelles Lernen zur Optimierung des Ressourcenmanagements in der Landwirtschaft bei?
Maschinelles Lernen und Datenanalysen bieten viele Möglichkeiten zur Optimierung des Ressourcenmanagements in der Landwirtschaft. Ein Beispiel: Während industrielle Produktionsprozesse, wie die Herstellung einer Zahnbürste, nahezu perfekt kontrollierbar sind, stellt der landwirtschaftliche Produktionsprozess viele unvorhersehbare Herausforderungen. Die Reifung von Pflanzen wie Mais kann durch Umwelteinflüsse stark variieren. Hier kommen Methoden des Deep Learning ins Spiel, die helfen, komplexe Zusammenhänge besser zu verstehen und die Pflege von Boden und Pflanzen zu optimieren. Diese Technologien entwickeln sich ständig weiter und tragen dazu bei, dass Ressourcen wie Wasser, Düngemittel und Energie effizienter genutzt werden.
Welche Auswirkungen hat Smart Farming auf die Nachhaltigkeit und den ökologischen Fussabdruck der Landwirtschaft?
Smart Farming leistet einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit, indem es den Einsatz von Ressourcen wie Wasser, Düngemitteln und Pestiziden optimiert. Durch den Einsatz präziser Sensoren und GNSS-gesteuerter Maschinen kann der Ressourceneinsatz genau auf die Bedürfnisse der Pflanzen abgestimmt werden. Dies schont die Umwelt, senkt den CO₂-Ausstoss und schützt den Boden vor Überbeanspruchung. Zudem trägt die Technologie dazu bei, die Landwirtschaft widerstandsfähiger gegenüber klimatischen Veränderungen zu machen. Automatisierung und Datenauswertungen helfen, Abfälle zu minimieren und die Effizienz zu steigern.
«Maschinelles Lernen hilft, Ressourcen effizienter einzusetzen.»
Inwiefern wird der Einsatz von Smart-Farming-Technologien von regionalen Behörden oder Institutionen unterstützt?
Wir am ISF Institut für Intelligente Systeme und Smart Farming der OST – Ostschweizer Fachhochschule stehen am Anfang unserer Arbeit in diesem Bereich und greifen dabei auf das Fachwissen von Partnern wie Agroscope und der Swiss Future Farm zurück. Unser Schwerpunkt liegt auf der anwendungsorientierten Forschung, die durch Förderprogramme wie Innosuisse oder europäische Institutionen unterstützt wird. Unser Ziel ist es, intelligente Systeme für verschiedene landwirtschaftliche Anwendungen zu entwickeln und die Implementierung dieser Technologien in der Praxis zu fördern.
Wie sehen Sie die Zukunft des Smart Farming in der Ostschweiz – wird es zur Norm oder bleibt es eine Nischenlösung für spezialisierte Betriebe?
Unser Ziel ist es, Smart Farming für eine breite Anwendung zugänglich zu machen. Der Erfolg von Technologien hängt letztlich von ihrer Akzeptanz ab. Wenn es gelingt, die Geräte, Sensoren und Roboter zu einem erschwinglichen Preis anzubieten, kann Smart Farming durchaus zum Standard in der Landwirtschaft werden. Die Technologie hat das Potenzial, einen langfristig positiven Einfluss auf die Effizienz und Nachhaltigkeit der Landwirtschaft auszuüben.
Interview: Patrick Stämpfli
Bild: zVg
Ernährungswirtschaft: Smarte Lösungen für die Praxis
Am 28. November 2024 findet auf der Swiss Future Farm in Tänikon das 5. Innovationsforum Ernährungswirtschaft statt. Der Anlass widmet sich dem Thema «Intelligente Lösungen für die Praxis» und verspricht spannende Einblicke in zukunftsweisende Entwicklungen der Ernährungsbranche. Namhafte Unternehmen, Start-ups und Forschungsinstitutionen werden vor Ort ihre Projekte, Studien und Produkte vorstellen. Ein Highlight des Tages ist die Eröffnung des «ISF Instituts für Intelligente Systeme und Smart Farming» der OST – Ostschweizer Fachhochschule.