KI in Finanzabteilungen: DACH-Region führend in Europa

Eine internationale Studie unter Leitung der Universität St.Gallen (HSG) zeigt, dass Künstliche Intelligenz (KI) im Finanzwesen zunehmend an Bedeutung gewinnt. Gleichzeitig offenbaren sich strategische Defizite und fehlende Governance-Strukturen, die insbesondere für mittelständische Unternehmen ein Risiko darstellen.

Die Studie «Future Directions in Finance» basiert auf der Befragung von 542 Finanzexpertinnen und -experten, darunter über 200 CFOs. Ziel war es, die Herausforderungen und Chancen der KI-Nutzung in Finanzabteilungen zu analysieren. Besonders die DACH-Region hebt sich dabei hervor.

DACH-Länder als Vorreiter in KI-Kompetenzen

Im europäischen Vergleich schneiden Deutschland, Österreich und die Schweiz in puncto KI-Kompetenzen am besten ab. Während in anderen Ländern der Einsatz noch zögerlich ist, zeigt sich in der DACH-Region eine klare Entwicklung hin zur aktiven Nutzung von KI-gestützten Finanzprozessen.

Die Anwendung nimmt zwar stetig zu, bleibt aber begrenzt: Zwar werden 60 % der Finanzmitarbeitenden zur KI-Nutzung ermutigt, doch nur 18 % sind täglich damit vertraut. Auffällig ist, dass die individuellen Anwendungskompetenzen oft weiterentwickelt sind als die institutionelle Verankerung von KI: Während 90 % der Finanzprofis mit generativer KI arbeiten können, verfügen nur 25 % der Unternehmen über eigene KI-Abteilungen.

Ein besonderes Einsatzfeld ist die Umsatzprognose: 10 % der befragten Unternehmen kombinieren KI mit menschlicher Kontrolle, 6 % nutzen ausschliesslich KI-gestützte Prognosemodelle. Damit ist die DACH-Region europäischer Spitzenreiter: Fast ein Viertel der Unternehmen setzt KI für Prognosen ein, gegenüber nur 17 % im restlichen Europa.

Vertrauen in KI und Governance-Defizite

Die Studie zeigt eine klare Korrelation zwischen Vertrauen und Nutzung von KI. 90 % der Befragten vertrauen Ratschlägen, die aus der Zusammenarbeit von Mensch und KI resultieren, während rein KI-generierte Entscheidungen nur von 49 % akzeptiert werden. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit eines transparenten Zusammenspiels.

Ein kritischer Punkt ist die fehlende Governance. Mehr als die Hälfte der Finanzabteilungen arbeitet ohne umfassende KI-Richtlinien, was Risiken für Datenschutz und Compliance erhöht. Lediglich 7 % der Unternehmen betrachten diese Risiken als vollständig abgedeckt. Besonders kleine und mittelständische Unternehmen drohen den Anschluss zu verlieren, während grosse Unternehmen bereits umfassende KI-Strategien entwickeln.

Schweizer Forschung treibt Entwicklung voran

In der Schweiz wird die Forschung zur KI im Finanzwesen intensiv vorangetrieben. Mit der Gründung des «Accounting AI Lab» durch Prof. Dr. Klaus Möller (HSG) und Prof. Dr. Antonio Davila (Universität Lausanne) soll untersucht werden, wie KI die Finanzbranche revolutionieren kann. Themen wie Akzeptanz, Vertrauen und strategische Integration stehen dabei im Fokus.

Die Studie «Future Directions in Finance», an der neben der HSG auch Universitäten aus Wien, Stockholm, Barcelona und Utrecht beteiligt waren, zeigt deutlich: Die KI-Nutzung in Finanzabteilungen steckt noch in den Anfängen. Ihr Potenzial wird erst dann voll ausgeschöpft, wenn Unternehmen gezielt Kompetenzen aufbauen und klare Governance-Strukturen schaffen. Prof. Möller fasst es zusammen: «Der Erfolg von KI im Finanzbereich hängt davon ab, wie schnell Unternehmen Kompetenzen und Governance-Frameworks etablieren.»

Text: pd