Gefahr der Filterblase: Wie schnell Online-Inhalte einseitig werden

HSG-Student Luka Bekavac hat zusammen mit einem Team von HSG-Forschern ein digitales Werkzeug entwickelt, um die Entstehung von Filterblasen auf Online-Plattformen zu analysieren. Mittels dieses Tools konnte gezeigt werden, dass bereits nach einer Stunde aktiven Konsums auf sozialen Medien die Vielfalt der angezeigten Inhalte drastisch reduziert sein kann.

Soziale Medien haben sich zu einem zentralen Schauplatz für öffentliche Diskurse und die Verbreitung von Informationen entwickelt. Die personalisierten Algorithmen, die Inhalte auf Plattformen wie Instagram und TikTok kuratieren, bergen jedoch die Gefahr der Filterblasenbildung. Bei einer solchen Filterblase werden Nutzer in ihren bestehenden Meinungen und Weltanschauungen bestärkt, da ihnen vordringlich Inhalte angezeigt werden, die zu ihrem bisherigen Verhalten passen. Dies wiederum birgt eine Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, wenn einzelne Personen Sachverhalte vorwiegend aus individualisierten, möglicherweise extremen, Standpunkten heraus wahrnehmen.

SOAP produziert und analysiert Filterblasen

Um die Entstehung und Geschwindigkeit dieses Phänomens zu untersuchen, hat Luka Bekavac im Rahmen seiner Masterarbeit das Werkzeug «SOAP» (System for Observing and Analyzing Posts) entwickelt. «Klassische Seife erzeugt Blasen, SOAP erzeugt Filterblasen.» meint Bekavac zur Namensgebung. Doch SOAP macht mehr als das: Mithilfe eines multimodalen Sprachmodells kann SOAP die Inhalte von Einträgen in sozialen Medien analysieren und so die Themenvielfalt und Tonalität in Nutzerfeeds im zeitlichen Verlauf erfassen - es ermöglicht also das Aufspüren und die Vermessung von Filterblasen.

Innerhalb von 60 Minuten im Trump-Lager gefangen

Die ersten Testergebnisse des Tools sind besorgniserregend: Zum Palästina-Israel-Konflikt etwa konnte SOAP innerhalb kürzester Zeit Filterblasen erzeugen. «Da waren auch viele Fehlinformationen und gewaltvolle Inhalte drin, was eigentlich gegen die Inhaltsrichtlinien von Instagram verstösst», so Bekavac, der seine Masterarbeit an der School of Computer Science der HSG (SCS-HSG) bei Prof. Dr. Simon Mayer verfasst. Auch zu den US-Wahlen führte Bekavac einige Testversuche durch. «Bereits nach etwa 60 Minuten Scrollen und Liken kann je nach Interaktion ein Nutzerfeed angezeigt werden, bei dem 85 Prozent der Inhalte ‹pro Trump› ausgerichtet sind», schildert Bekavac.

Das Forschungsteam, welches sich neben Bekavac aus Dr. Kimberly Garcia, Jannis Strecker, Prof. Dr. Simon Mayer von der SCS-HSG sowie Prof. Dr. Aurelia Tamò-Larrieux der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Lausanne zusammensetzt, hat diese und weitere Erkenntnisse mittlerweile im Rahmen einer wissenschaftlichen Publikation veröffentlicht.

SOAP kann soziale Medien auch auf Gesetzestreue prüfen

Das Werkzeug, das vorerst nur Inhalte von Instagram analysieren kann, soll künftig auch auf weitere Online-Plattformen anwendbar sein. Detaillierte Auswertungen zu den Dynamiken auf verschiedenen sozialen Netzwerken und zu verschiedenen Themen will Bekavac im Rahmen seiner Doktorarbeit durchführen. «Das Tool ist Open Source und soll auch von anderen Wissenschaftlern zur Untersuchung von sozialen Netzwerken genutzt werden können», betont Bekavac. Denn neben der Untersuchung von Filterblasen eignet es sich auch, um andere systemische Risiken von Online-Plattformen zu analysieren. Beispielsweise könne damit auch untersucht werden, ob die sozialen Medien personalisierte Werbung für Minderjährige anzeigen, was heute verboten ist.

«Dieses Tool bietet wertvolle Einblicke in die Risiken der sozialen Medien für den Zugang zu Informationen und für die Meinungsbildung.» sagt Prof. Dr. Miriam Buiten, HSG-Expertin für Technologierecht, welche die Arbeit mitbetreut hat. «Die EU-Kommission entwickelt im Moment Richtlinien für algorithmische Empfehlungssysteme im Rahmen des Digital Services Act. SOAP kann helfen, die Auswirkungen der Änderungen nach ihrer Umsetzung zu messen.»

Selbstschutz vor Filterblasen

In eine Filterblase zu geraten, geschieht ziemlich schnell – und dies übrigens nicht nur online. Deshalb ist es wichtig, sich dessen bewusst zu sein und insbesondere in den sozialen Medien Informationen kritisch zu hinterfragen. Um nicht in seiner Blase gefangen zu bleiben, rät Bekavac zum einen, dass man auch den unpersonalisierten Feed nutzt, was bei den meisten Plattformen möglich ist. Zum anderen helfe es natürlich, wenn man bewusst nicht nur Leuten folge und Inhalte «like», welche die eigene Meinung vertreten.

Text: pd